Modelle der Informatik für einen Informatikunterricht
Marco Thomas
Universität Potsdam - Institut für Informatik
Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, Germany
mthomas@cs.uni-potsdam.de
Zusammenfassung:
Die Bedeutung einer Informatischen Modellbildung für den Schulunterricht
wird von Informatikdidaktikern immer wieder betont. Das Modell als Gegenstand
einer Modellbildung existiert jedoch auch in der Fachwissenschaft Informatik
in zahlreichen Facetten. Diese lassen sich unter Verwendung der Allgemeinen
Modelltheorie von Stachowiak (1973) systematisch aufzeigen. Dabei wird
deutlich, dass sich die Vielfalt der Modelle umfassend in der Informatik
wiederfindet. Das Herausstellen von Modelltypen, wie sie in der Informatik
verwendet werden, dient der begrifflichen Präzisierung der Informatischen
Modellbildung und zeigt einen Beitrag des Informatikunterrichts zur Allgemeinbildung
auf.
Abstract:
It is often claimed that informatic modeling should play an important role
in informatics lessons. However, the notion of a model is used in a divers
manner in computer science. We systematically describe and classify these
different notions using the formal theory of general modeling introduced
by Herbert Stachowiak in 1973 and show that all the varied types of models
are used in computer science. It also substantiates that informatics lessons
emphasizing modeling may contribute to the general education of students.
-
Einleitung
-
Informatische Modellbildung - ein
Begriff mit vielen Inhalten
-
Was ist ein Modell?
-
Wie lassen sich Modelle
unterscheiden?
-
Welche Modelle
finden sich in der Informatik?
-
Ordnung informatischer Modelle nach
der AMT
-
Fazit
-
Literatur
-
Anmerkungen
Einleitung
Ende der 60iger Jahre wurde in Deutschland erstmals
der Aufbau von Informatik-Studiengängen vorbereitet, womit die Informatik
als Fachwissenschaft ihren Einzug in die deutsche Bildungslandschaft feierte.
Ausgangspunkt ist zunächst die Erkenntnis gewesen, dass Informationstechnik,
als Produkt der Informatik, unsere Gesellschaft massiv verändert.
Die Kulturhoheit liegt im föderalen System
der Bundesrepublik bei den einzelnen Bundesländern. Die Einrichtung
und Gestaltung neuer Studiengänge fällt daher ebenso in den Aufgabenbereich
der - meist finanziell schwachen Bundesländer1
- wie die Integration neuer Unterrichtsfächer in den Fächerkanon
der allgemeinbildenden Schulen. Insofern ist es bemerkenswert, dass nahezu
zeitgleich zur Einrichtung der Informatik als Wissenschaft an den Hochschulen
ein entsprechendes Unterrichtsfach an den allgemeinbildenden Schulen Einzug
hielt. Offensichtlich wurde der starke Einfluss dieser Wissenschaft und
ihrer Produkte auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft erkannt.
Die Bezeichnung "Informatik" für die deutschen
Studiengänge leitet sich von dem französischen Kunstwort "informatique"
ab, das aus den Worten "Information" und "Automation" abgeleitet ist2.
Die Académie Française definierte 1967:
L’informatique: "Science de traitement
rationel, notamment par machines automatiques, de l’information considérée
comme le support des connaissances humaine et des communications, dans
les domains techniques, économiques et sociale."3(aus
Coy(2001),
S. 4)
Allerdings orientierten sich die Inhalte der westdeutschen
und europäischen Informatik4
vorwiegend an den amerikanischen Studiengängen "Computer Science"
und "Computer Engineering", die eher durch die Definition der ACM beschrieben
werden:
"the discipline of computing is the
systematic study of algorithmic processes that describe and transform information;
their theory, analysis, design, efficiency, implementation, and application.
The fundamental question underlying all of computing is: 'What can be (efficiently)
automated'." (Denning(1989), S. 19)
In den Ansätzen für ein deutsches Schulcurriculum
finden sich - in Anlehnung an das deutsche Verständnis zur Wissenschaft
Informatik - zunächst rechnerorientierte Konzepte, die das Ziel verfolgen,
die Funktionsweise der faszinierenden und gleichzeitig erschreckenden Grossrechneranlagen
transparent zu machen. Als problematisch hinsichtlich einer Allgemeinbildung
hat sich die Kurzlebigkeit dieses Wissens herausgestellt. Langfristig gültige
Inhalte sollten Anfang der 70iger Jahre mit einem algorithmenorientierten
Konzept vermittelt werden. Dieser Ansatz führte in den Schulen jedoch
meist zu Programmiersprachenkursen, so dass von einer Allgemeinbildung
nur sehr bedingt gesprochen werden konnte. Mit stärker anwendungsorientierten
Ansätzen rückten die Begriffe des informatischen "Modells", des
"Modellierens" und der "Modellbildung" in den Vordergrund, wobei je nach
Autor unterschiedliche Begriffe und Begriffsverständnisse zu finden
sind. Bei der Implementierung dieser Ansätze in den Lehrplänen
der einzelnen Bundesländer wurde häufig versucht, das jeweilige
Verständnis von "Informatischer Modellbildung" zu verankern. Die Auswahl
und Anordnung der zu vermittelnden Modelle und Modellbildungstechniken
in den Curricula orientiert sich zwar i.d.R. wissenschaftspropädeutisch
an der Fachwissenschaft Informatik, es bleibt jedoch - ebenso wie in der
fachdidaktischen Literatur - offen, ob das Wesen der Wissenschaft Informatik
durch die meist aus der Softwareentwicklung entnommenen Modelle und Modellbildungstechniken
im Informatikunterricht angemessen repräsentiert wird, oder diese
nur dem derzeitigen Verständnis von Informatikunterricht entgegenkommen.
Der fehlende Konsens zu den Modellbegriffen der
Informatik und der unzureichend begründete Stellenwert einer Auseinandersetzung
mit informatischen Modellen sind vermutlich eine Ursache dafür, dass
die unterrichtliche Umsetzung der anwendungsorientierten Ansätze meist
bei der Algorithmik stecken blieb.
Um die Bedeutung von informatischen Modellen für
die allgemeinbildende Schule herauszuarbeiten, gilt es zunächst, das
Begriffsverständnis zum "Modell" innerhalb der Fachwissenschaft zu
klären.
-
Frage: Welche Modelle und (zugehörige) Modellbildungstechniken
der Informatik gibt es?
Zwar wird eine informatische Modellbildung häufig
als Säule der Legitimation des Schulfachs Informatik benannt, doch
bleibt der spezifische Beitrag einer informatischen Modellbildung im Rahmen
eines Schulfachs Informatik zur Allgemeinbildung weitestgehend ungeklärt.
-
Frage: Warum soll ein Schüler bestimmte Modelle
und Modellierungstechniken der Informatik vermittelt bekommen?
In der Vergangenheit haben auch andere Fachdidaktiken
- insbesondere die Naturwissenschaften - die Modellbildung als einen allgemeinbildenden
Kern ihrer Fachwissenschaften ausgewiesen.
-
Frage: Was bietet der Informatikunterricht gegenüber
anderen Schulfächern bezüglich der Modellbildung Neues?
Über Antworten zu diesen drei Fragen versuchen
wir den Charakter und den Stellenwert einer "Informatischen Modellbildung"
für einen Informatikunterricht zu klären. Die Fragen können
in dem vorliegenden Beitrag nicht vollständig beantwortet werden,
doch wenn es uns aufzuzeigen gelingt, dass in der Informatik eine umfassende
Vielfalt an Modellen - und entsprechenden Modellierungstechniken - existieren
und diese Informatische Modellbildung in ihrer Gesamtheit exemplarisch
für "Modellbildung im Allgemeinen" stehen kann, dann dürfte diese
Informatische Modellbildung als potentiell allgemeinbildend gelten.
Im Gegensatz zu anderen Ansätzen (Hubwieser
(2000), Schubert (2000))
werden wir unsere Suche zunächst weniger auf die Techniken zur Erstellung
von Modellen richten, sondern die Modelle selbst suchen, da zum einen keine
sinnvolle Anwendung einer Modellbildungstechnik ohne Vorstellung über
das intendierte Modell erfolgen kann und zum anderen für Modelle geeignetere
Kriterien zu ihrer Bestimmung und Unterscheidung existieren als für
Modellbildungstechniken.
Informatische Modellbildung -
ein Begriff mit vielen Inhalten
Zu den Aufgaben der Fachdidaktik Informatik gehört
die Mitwirkung an der Definition grundlegender Ziele und Inhalte des Informatikunterrichts
für die allgemeinbildenden Schulen. Als ein erster fachdidaktischer
Ansatz zur Behandlung von problemlösenden Modellbildungsmethoden im
Informatikunterricht wird die von Brauer und Brauer 1973 geforderte Abkehr
von dem (damaligen) hardware- und programmiersprachenorientierten Unterricht,
hin zur Vermittlung von Methoden der Strukturierung, Mathematisierung und
Algorithmisierung von Problemen gewertet (Hubwieser
(2000), S. 68).
In der Zeit der sogenannten "Krise" des deutschen
Informatikunterrichts (Peschke
(1989)) haben Koerber und Peters einen anwendungsorientierten Ansatz vertreten,
der ein Modell als eine vereinfachte Darstellung von Zusammenhängen
eines Realitätsausschnittes versteht. Dieses Modell geht einer computerunterstützten
Bearbeitung eines Problems voraus!
"Zur adäquaten Nutzung informationstechnischer
Werkzeuge ist es notwendig, stets die Reduktion der Realität durch
Modellbildung und Abstraktion zu verdeutlichen. Denn jeder, der Informationstechnik
anwendet, muß wissen, daß er sich mit einer Modellwelt auseinandersetzt,
bzw. seine Realität durch andere Menschen modelliert worden ist. Gleichzeitig
muß diese Erkenntnis auch dazu führen, daß die Modellwelt,
mit der sich Anwender, Nutzer und Konstrukteure auseinandersetzen, niemals
zur neuen Realität wird." (Koerber
(1993), S. 111).
Für den Informatikunterricht entwickelten die
Autoren ein am klassischen Vorgehensmodell der Softwareentwicklung ("Wasserfallmodell")
orientiertes Unterrichtsverfahren, das die Erstellung eines deskriptiven
Entwurfsmodells zu einem Problem betont. Datenstrukturen, Datenobjekte
und Algorithmen repräsentieren "modellhaft" die Wirklichkeit und gehen
einer Kodierung voraus.
In einem der wenigen deutschen Bücher zur
"Didaktik der Informatik" benennt Baumann
(1996, S. 153ff) vier Grundkategorien der Informatik: Information, System,
Modell, Programm. Baumann betont, dass jeder dieser Begriffe auch außerhalb
der Informatik verwendet wird, und erläutert den Modellbegriff wie
folgt:
Das Modell ist (für Informatiker)
eine vereinfachte struktur- und verhaltenstreue Beschreibung eines realen
Systems.
Zum Modellbegriff unterscheidet Baumann verschiedene
allgemeine Modelltypen, konkretisiert diese allerdings für die Informatik
oder für den Informatikunterricht nicht. Auf mentale Modelle, als
gedankliche Repräsentationen von Ideen und Vorstellungen, und die
Modellmethode geht der Autor interessanterweise nur in der ersten Auflage
seines Buches (1990, S. 163ff) ein. Zu dem Begriff Simulation, der häufig
im Zusammenhang mit einer Modellbildung genannt wird, zitiert Baumann die
VDI5-Richtlinie
3633
"Simulation ist das Nachbilden eines
Systems mit seinen dynamischen Prozessen in einem experimentierfähigen
Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar
sind."
und kritisiert die VDI-Definition insofern, dass
die Simulation eigentlich die Nachbildung des Verhaltens eines modellierten
Systems sei, während die Nachbildung des Systems als Modellierung
zu bezeichnen ist. Eine Computersimulation liegt dann vor, wenn das zugrundeliegende
Modell die Gestalt eines Computerprogramms hat. Obwohl Baumann im Kontext
von prädikatenlogischen Sprachen - zumindest in der ersten Auflage
- von dem mathematischen Modell im Sinne einer "algebraischen Erfüllungsmenge"
spricht (1990, S. 158), listet er dieses in der späteren Ausgabe nicht
mehr als Modelltyp auf.
Die fundamentalen Masterideen der Informatik “Algorithmisierung”,
“strukturierte Zerlegung” und “Sprache” stützen nach Schwill
(1994, S. 21) die häufig betonte, aber selten reflektierte Bedeutung
einer informatischen Modellierung und ihrer Methoden.
"Mit der strukturierten Zerlegung sind die Ideen verbunden,
mit deren Hilfe man ein reales System analysiert und die modellrelevanten
Eigenschaften ableitet. Das Modell wird anschließend auf der Basis
einer Beschreibungssprache präzisiert und öffnet sich so weiteren
syntaktischen und vor allem semantischen Analysen und Transformationen.
Der dynamische Aspekt von Modellen, die Möglichkeit, sie zu simulieren,
wird durch die Algorithmisierung erfaßt. Die zugehörigen Ideen
dienen dem Entwurf und dem Ablauf von Simulationsprogrammen im weitesten
Sinne." |
|
Nach Schwill modelliert die Informatik "meist
Sachverhalte, die einer vom Menschen geschaffenen Welt entstammen (Bürovorgänge,
Fahrzeugströme an Kreuzungen, Bibliothekssysteme)." (ebd., S.
23). Ikonische (bildhafte) und symbolische (zeichenartige) Modelle (vgl.
Frey
(1961) werden in Zwischenschritten genutzt, um sogenannte "enaktive" Modelle
zu erstellen, die eine künstliche Wirklichkeit darstellen können,
die vom Menschen kognitiv ähnlich erfasst wird, wie die "reale" Welt.
Für Peter Hubwieser
(2000, S. 69) ist der Prozess der Modellbildung und Simulation nicht nur
ein Lerninhalt, sondern ein durchgängiges Prinzip der Unterrichtsgestaltung.
Im Rahmen eines informationszentrierten Ansatzes propagiert und begründet
Hubwieser für die Sekundarstufe I und die Klasse 11 eine systematische
und problemorientierte Einführung in - auf Schülerniveau reduzierte
- Modellierungstechniken der UML und ergänzt seine Ausführungen
durch ausführliche Unterrichtsbeispiele. Dieses Konzept wird derzeit
für ein bayerisches Informatik-Curriculum erprobt.
Unter Auslassung zahlreicher fachdidaktischer
Ansätze, die informatische Modellbegriffe beinhalten, sei an dieser
Stelle noch auf die Empfehlungen der Gesellschaft für Informatik e.V.
von 1993 (Schulz-Zander
(1993)) hingewiesen, die für die Sekundarstufe II die Förderung
schöpferischen Denkens durch "Erfahrungen mit einer Vielzahl kreativer
Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Modellbildung, sprachliche und graphische
Gestaltung) mit Hilfe des Computers" betonen. Die Verwendung von Modellierungstechniken
zur Lösung eines Problems, die Fähigkeit zur Einsichtnahme in
die Grenzen eines Modells, Überblick zur Darstellungen der Softwaremodellierung
und Automatenmodelle werden als Inhalte gefordert. Auch die für eine
informatische Bildung genannten Leitlinien stellen das Arbeiten mit Modellen
als langfristig gültiges Allgemeingut für einen Informatikunterricht
heraus.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
in der Fachdidaktik der Informatik zahlreiche Modelle und Modellierungstechniken
für den Informatikunterricht herausgestellt werden. Es besteht jedoch
keine Einigkeit, was unter informatischer Modellbildung zu verstehen ist,
es werden selten konkrete informatische Modelle allgemeindidaktisch begründet
und es fehlt eine übergreifende Systematik zu den informatischen Modellen.
Es bleibt der Eindruck, dass die Modelle und das Modellieren der Fachwissenschaft
in den einzelnen didaktischen Ansätzen nur unzureichend, teilweise
sogar einseitig, erfasst wird.
Was ist ein Modell?
Wenn wir klären wollen, welche Modelle in der
Informatik vorkommen, können wir nicht von einer Definition des
"Informatischen Modells" oder des "Informatischen Modellierens"
ausgehen, sondern müssen einen allgemeineren Ansatz verwenden, wie
ihn Stachowiak (1973)
mit der Allgemeinen Modelltheorie (AMT) vorgelegt hat.
Die AMT basiert auf einer Erkenntnis- und Methodenlehre
(Systematischer Neopragmatismus), die deutlich Wahl und Entscheidung von
Subjekten berücksichtigt und nicht mehr versucht, die absolute Wahrheit
zu erkennen. Mit der AMT erhalten wir eine systematische Methode für
eine erste Darstellung und Klärung von Modellbegriffen in der Informatik.
Stachowiak weist zwar darauf hin, dass die aus einer allgemeinen Begriffsanalyse
entwickelte Struktur der AMT nicht vollständig ist (S. 128), sie wurde
jedoch hinreichend breit angelegt, so dass sie für unsere Zwecke gut
geeignet ist.
Was zeichnet Modelle aus? Modelle sind Bestandteile eines
Prozesses, in welchem sie von einem Subjekt zu einem Original6
für einen bestimmten Zweck konstruiert und eingesetzt werden. Dieser
Prozess wird mit Modellbildung bezeichnet.Ein Modell ist immer auch als
System7 auffassbar. Ein System (z.B.
das natürliche Ökosystem) ist jedoch nicht zwingend ein Modell.
Merkmale, Eigenschaften und Relationen von Systemkomponenten bezeichnen
wir als Attribute. |
|
Woran erkennen wir nun ein Modell? Von einem Modell
für ein Original kann dann gesprochen werden, wenn ein Original in
verkürzter Weise abgebildet wird, d.h.
-
einige Originalattribute fortgelassen werden (Präterition),
aber auch
-
einige Modellattribute zusätzlich eingeführt
werden (Abundanz),
-
einige Originalattribute mit anderen Bedeutungen
belegt werden (Transkodierung) oder
-
einige Originalattribute hervorgehoben werden (Kontrastierung).
Beispiel: Im Jahre 1946 beschrieb John von
Neumann ein technisches Idealmodell für einen Rechner, der Daten und
Programme in einem gemeinsamen Speicher hält. Unter Vernachlässigung
technischer Details (Präterition) skizzierte er den logischen und
räumlichen Aufbau (Kontrastierung) eines Rechenautomaten entsprechend
seinen gedanklichen Überlegungen, indem er für die Kommunikation
notwendige schrift-sprachliche Konstrukte hinzufügte (Abundanz).
An dem obigen Beispiel wird deutlich, dass ein
Modell sowohl Abbild "von etwas" (hier: Denkmodelle) als auch Vorbild "für
etwas" (hier: Computergerät) sein kann. Sind die bei der Modellierung
vorgenommenen Operationen umkehrbar eindeutig, lassen sich modellseitig
gewonnene Einsichten und Erkenntnisse direkt auf das Original übertragen.
Beispiel: Im Von-Neumann-Modell wird deutlich,
dass ein paralleler Datenaustausch zwischen Leit- und Rechenwerk und dem
Speicher einen Geschwindigkeitszuwachs verspricht (Von-Neumann-Flaschenhals).
Das "mathematische Modell" im Sinne der mathematischen
Modelltheorie ist eine gültige Interpretation einer Struktur: "A
possible realization in which all valid sentences of a theory T are satisfied
is called a model of T" (Tarski (1961)). Dieser
Modelltyp findet sich in der Informatik unter anderem im Kontext der logischen
Programmierung (l-Kalkül, Prolog). Wir werden jedoch im Folgenden
auf diesen Modelltyp nicht mehr eingehen, da ihm ein anderes Verständnis
des Begriffs Modell zugrundezuliegen scheint.
Wie
lassen sich Modelle unterscheiden?
Modelle können hinsichtlich ihrer Originale,
ihrem Zweck, ihren Attributen und der Adäquatheit von Original und
Modell unterschieden werden.
Ein Subjekt verbindet mit einem Modell stets einen
Zweck, zu dem das Modell konstruiert oder genutzt wird, wobei Modellkonstrukteur
und Modellnutzer nicht automatisch den gleichen Zweck mit dem gleichen
Modell verbinden müssen (Perspektivenproblem). Mit Modellen verbundene
Intentionen können sein: Didaktische Veranschaulichung, Experimentalisierung,
Repräsentation, Prognosen, Kommunikation, Theoriebildung, Nutzbarmachung
eines Originals, Erkenntnisgewinn, Handlungsgrundlage u.v.m. Den Hauptzweck
einer Modellbildung in der Informatik sehen Wedekind
et al. (1998) darin, "die aus den Fachwissenschaften stammenden Modelle
so umzuschreiben, daß sie mit Hilfe eines Computers dargestellt und
bearbeitet werden können".
Da Modelle zweck-, zeit- und subjektorientiert
erstellt werden, können zu einem Original verschiedene Modelle existieren.
Zum Vergleich von Original und Modell muss dem Modellerschaffer und/oder
dem Modellnutzer bekannt sein, unter Anwendung welcher Operationen das
Modell an das Original angeglichen wurde. Es lassen sich in Anlehnung an
Stachowiak (S. 138ff) drei Angleichungsebenen unterscheiden:
-
Die strukturell-formale Angleichung bezieht sich
auf Attribute, die Relationen zwischen Komponenten der Entitäten beschreiben.
Z.B. können die potentiellen Wege des
Handlungsreisenden in einem isomorphen Graphen dargestellt werden.
-
Die material-inhaltliche Angleichung bezieht sich
auf (sekundäre) Attribute, die die Bedeutung, den Sinn und die Vorstellung
zu einem Attribut beschreiben.
Z.B. kann jede Komponente eines vollständigen
Schaltbildes die gleiche Bedeutung wie die jeweilige Komponente in der
realen Schaltung haben. Ein derartiges Schaltbild ist nicht nur von maximaler
materialer Angleichung (isohyl), sondern auch isomorph.
-
Die naturalistische Angleichung8
bezieht sich auf Attribute, die materiell-energetische und raum-zeitliche
Eigenschaften von Entitäten beschreiben.
Z.B. kann in einer Simulation eine Kontraktion
der Zeit relativ zur Echtzeit im Original erfolgen.
Stachowiak gibt zur Differenzierung von Modellen
eine pragmatische Einteilung in graphische, technische und semantische
Modelle an, die sich weiter verfeinern läßt:
-
Graphische Modelle sind im wesentlichen zweidimensionale
Modelle. Die Originale stammen meist aus dem Bereich des Wahrnehmens, des
Vorstellens und der gedanklichen Operationen. Grafische Modelle, die unmittelbar
ihre Bedeutung repräsentieren, werden als ikonisch bezeichnet, während
symbolischen Modellen ihre Bedeutung, ihr Kode, zugeordnet werden muss
(s.a. Frey (1961)).
-
Technische Modelle sind vorwiegend dreidimensionale,
raum-zeitliche und materiell-energetische Repräsentationen von Originalen.
Entsprechend der Natur ihrer Attribute lassen sich physiko-, bio-, psycho-
und soziotechnische Modelle unterscheiden.
-
Semantische Modelle sind Kommunikationssysteme, die
ein Subjekt zur informationellen Verarbeitung seiner Wirklichkeit verwendet.
Es wird zwischen den internen Modellen der Perzeption und des Denkens sowie
den externen semantischen Modellen, die sich aus Zeichen und Zeichenkombinationen
aufbauen, unterschieden.
Die Übergänge zwischen einzelnen Modelltypen
sind häufig fließend, es kann also nicht von einer Klassifikation
gesprochen werden (ist für unsere Zwecke auch nicht erforderlich).
Welche
Modelle finden sich in der Informatik?
Graphische Modelle in der Informatik
Im Bereich der Softwareentwicklung werden verschiedenste
Darstellungsmodelle für Vorgehensmodelle des Entwicklungsprozesses,
zum Festhalten von Entwürfen und als Kommunikationsgrundlage verwendet.
Die Vorgehensmodelle selbst, die diesen Darstellungen zugrunde liegen,
basieren auf vom Subjekt wahrgenommenen und "erdachten" Aktivitäten
(interne semantische Modelle). Die bekanntesten Vorgehensmodelle in der
Softwareentwicklung sind das Phasenmodell, das iterierte Phasenmodell,
das Prototypenmodell, das evolutionäre Modell, das transformationelle
Modell, das Spiralmodell und als aktuellstes, das objektorientierte Modell.
Weitere Vorgehensmodelle finden sich beispielsweise beim Qualitätsmanagement
(V-Modell). Diese vielfältigen Modelle der Informatik können
alle mit graphischen Darstellungsmodellen, aber auch in schriftsprachlicher
Form (externes semantisches Modell) beschrieben werden.9
Mit der Unified Modelling Language UML intendieren
Booch,
Rumbaugh und Jacobson (1998) eine Vereinheitlichung
der verbreitetsten Entwurfsmethoden für die objektorientierte Softwareentwicklung.
Die UML stellt dazu eine Vielzahl unterschiedlicher Darstellungsmodelle
zur Verfügung, die in den verschiedensten Phasen des Softwareentwicklungsprozesses
eingesetzt werden können: Strukturdiagramme (Klassen- und Paketdiagramme),
Verhaltensdiagramme (Anwendungsfall, Interaktions-, Sequenz-, Kollaborations-
Zustands- und Aktivitätsdiagramme) und Implementierungsdiagramme (Komponenten-
und Einsatzdiagramme). Hubwieser
(2000) schlägt vor, diese Modelle (er spricht von Modellierungstechniken)
in didaktisch reduzierter Form als Kern einer Schulinformatik zu verwenden.
Weitere graphische Darstellungsmodelle finden
sich in der Theoretischen Informatik (Graphen, Bäume, Darstellungen
der Turingmaschine oder der Registermaschine), in der Technischen Informatik
(Schaltbilder von logischen Schaltgattern oder Rechnerarchitekturen), in
der Praktischen Informatik (OSI-Referenzmodell, Schichtenmodelle, ...)
usw.
Ikonisch-grafische Bildmodelle, die i.d.R. ohne
weitere Erläuterungen verständlich sind, finden sich in der Informatik
im Bereich der Software-Ergonomie: Piktogramme unterstützen den Benutzer
bei der Bedienung von Soft- und Hardware, indem Vertrautes teilschematisch
abgebildet wird und damit eine Assoziation (z.B. mit der Funktion "Datei
löschen") erzeugt wird. Die Entwicklung von computerunterstützten
Veranschaulichungsmodellen für (informatische) Modelle anderer Typen
ist eine wichtige Aufgabe der Informatik. Hierzu zählt die Visualisierung
von und der Umgang mit zwei- oder dreidimensionalen Szenen als Monitorbild
oder -bildfolgen und ? im Übergang zu den technischen Modellen ? die
Holographie.
Darstellungsmodelle und Bildmodelle werden nach
Schwill
(1994) und
Thomas (2000)
in der Informatik meist als Zwischenschritte zur Konstruktion von "enaktiven"
Modellen eingesetzt. Enaktive Modelle übernehmen ? zumindest teilweise
? die Dynamik des Originals und werden vom Menschen als weitestgehend identisch
zu ihren Originalen erfasst. Es lassen sich vier Typen unterscheiden (vgl.
Crutzen
(1995)): simulierende, registrierende, regelnde und autonome Modelle (z.B.
Simulationswerkzeug à la DYNASYS, Messdatenverarbeitung, Ampelsteuerung
und Agenten).
Es scheint, dass mit den Modellen der UML zahlreiche
Darstellungsmodelle der AMT abgedeckt werden, was für eine allgemeinbildende
Stellung der UML in der Schulinformatik sprechen würde. Die Bedeutung
von Graphen, beispielsweise für die Theoretische Informatik, kommt
jedoch bei alleiniger Behandlung der UML oder einer Beschränkung der
Schulinformatik auf die Softwareentwicklung nicht zum Ausdruck.
Technische Modelle in der Informatik
Je nachdem, ob die Modellattribute im Wesentlichen
anorganischer, organisch-organismischer, psychischer oder sozialer Natur
sind, unterscheidet Stachowiak
technische Modelle10
in physiko- bio-, psycho- und soziotechnische Modelle.
Zu den physikotechnischen Modellen zählen
in der Informatik vor allem elektronische Modelle, wie Integrierte Schaltkreise
basierend auf booleschen Operatoren als "Gehirn" eines Informatiksystems
oder ein Roboterarm als elektronische Alternative zum menschlichen Arm.
Mechanische und elektromechanische Modelle finden sich vorwiegend in der
Entwicklungsgeschichte der Informatik, z.B. lochkartengesteuerte Webstühle,
die Rechenmaschinen von Schickard, Pascal und Leibniz sowie Holleriths
Volkszählmaschine. Bezeichnenderweise sind mechanische Modelle in
der Informatik überwiegend dynamisch. Als elektro-chemische Modelle
kann man den Quantencomputer und Entwicklungen in der informationsverarbeitenden
Nanotechnik ansehen. Unter einem Computermodell versteht Stachowiak ein
"durch den Automaten realisiertes Programm" (S. 188), d.h. kommunikations-
und informationsverarbeitende Prozesse in einem Computer. Computermodelle
befinden sich im Grenzbereich zwischen technischen und semantischen Modellen.
Die Konstruktion von Informatiksystemen, die auf
organisch-organismischen Bausteinen beruhen, ist noch Zukunftsmusik, doch
seitdem vor ca. 40 Jahren dem schwedischen Ingenieur Arne Larsson in Stockholm
der erste völlig mobile Herzschrittmacher eingepflanzt wurde, wird
versucht, elektronische Geräte mit dem biologischen Organismus zu
koppeln. Am 24. März 1998 gelang Roy Bakay in Atlanta die erste Direktverbindung
zwischen Menschengehirn und Elektronengehirn mit der eine Nervenschädigung
eines Patienten teilweise aufgehoben werden konnte. Die Verschmelzung von
lebenden und künstlichen informationsverarbeitenden Systemen kann
dazu führen, dass nicht nur biologische Organismen künstliche
Systeme kontrollieren, sondern auch künstliche Informatiksysteme biologische
Systeme. Für massiv paralleles Rechnen wird bereits untersucht, inwieweit
sich DNA-Stränge zur Informationsverarbeitung und -speicherung eignen.
Diese biotechnischen Modelle der Informatik sind aufgrund ihrer ethischen
Auswirkungen auf die Gesellschaft für eine Behandlung in der Schulinformatik
ebenso bedeutend, wie die Gentechnologie im Biologieunterricht.
Informatiksysteme führen zu einem veränderten
Lehr- und Lernverhalten in der Gesellschaft. Modelle in der Informatik,
die dem Aufbau, der Prüfung und der Verbesserung von individuumsorientierten
Lehr- und Lerntheorien im Kontext von Informatiksystemen dienen, gehören
zu den psychotechnischen Modellen (Computer unterstützter Unterricht,
Telelearning-Konzepte, CSCW-Konzepte).
Von verschiedenen Autoren wird die Informatik
als Gestaltungswissenschaft verstanden, die ein Wissensgebiet beschreibt,
das neben der mathematisch-technischen Dimension die gesellschaftlichen,
ökonomischen und sozialen Aspekte berücksichtigt, in die Informatiksysteme
eingebettet werden. So findet sich an den Universitäten mit Informatikstudiengängen
zunehmend ein Teilgebiet "Informatik und Gesellschaft". Insbesondere die
evolutionäre und objektorientierte Softwareentwicklung beinhalten
nach Foegen (1996) eine
Auseinandersetzung mit soziotechnischen Systemen und der Entwicklung entsprechender
Modelle im Kontext einer Mensch-Maschine-Kommunikation.
Semantische Modelle in der Informatik
Für die kommunikative Welt des Menschen hat
Stachowiak
ein Metamodell semantischer Stufen angegeben, das auf im Wesentlichen drei
interdependenten Ebenen die Verwendung von Modellen zur Kommunikation aufzeigt.
Modelle einer höheren Stufe stellen jeweils Kommunikationsysteme (Modelle)
für Systeme der niedrigeren Stufe dar.
-
Auf der nullten, uneigentlichen semantischen Stufe
befinden sich alle Zeichenträger (materielle Information), potentiell
bedeutungstragende Ausdrucksformen, aus denen sich alle möglichen
Ausdrücke eines Kommunikationssystem konstruieren lassen: Laute, Gesten
und andere Signale; in der Informatik sprechen wir meist von Daten.
-
Zur ersten semantischen Stufe zählen interne
semantische Modelle der Perzeption und der Kogitation. Diese Modelle dienen
der "Selbstkommunikation" des Subjekts und vermitteln zwischen der subjektbezogenen
Realwelt und dem operativem Zentrum, dem Gegenwärtigkeitssystem sowie
dem Informationsspeicher des Subjekts. Wahrnehmung und Denken finden sowohl
unter Anwendung vorhandener interner Modelle statt als auch durch Modellierung
neuer interner Modelle. Letzteres geschieht beispielsweise bei der Interpretation
von Simulationsergebnissen. Ohne interne semantische Modelle und der Möglichkeit,
auf diesen mental Operationen ausüben zu können, ist der Mensch
nicht handlungsfähig. Auf die Bedeutung interner semantischer Modelle
im Bereich der Software-Ergonomie hat Dutke
(1994) hingewiesen und zum Aufbau interner Modelle (Dutke spricht von mentalen
Modellen) eine Exploration von Informatiksystemen angeregt. Die AG Didaktik
der Informatik an der Universität Paderborn verfolgt diesen Ansatz
mittels einer Unterrichtsmethode der "Dekonstruktion von Informatiksystemen"
(Magenheim
et al. (1999)). Friedrich und Neupert
(1997) legen in einer Fallstudie anhand einiger Fehlermeldungen eines Webbrowsers
dar, wie utopisch die Vorstellung einer bewussten, effizienten Handhabung
solcher Informatiksysteme ohne entsprechende Grundvorstellungen ist. Zu
den Perzeptionsmodellen gehört die von Breier
(1994) für die Schulausbildung geforderte informationelle Sichtweise
der Welt. Die von Schwill
(1994) für die Informatik herausgearbeiteten fundamentalen Ideen können
mit Stachowiak den Kogitativen
Modellen zugeordnet werden; ebenso der "abstrakte Automat" als zusammenfassendes
Denkmodell für kybernetische Modelle (Steinbuch
(1977)), und die schon erwähnten Vorgehensmodelle in der Softwareentwicklung.
-
Modelle der zweiten Stufe und eventuell folgender
Stufen sind Systeme zur Kommunikation über Modelle der jeweils niedrigeren
Stufe, sogenannte externe semantische Modelle: sprech-sprachlich, schriftsprachlich,
fachsprachlich, maschinensprachlich usw.
Aufgrund seiner Erfahrung mit Telefonbüchern
kennt ein Mensch beispielsweise den Prozess der Interpolationssuche und
hat ein internes Modell hierzu entwickelt. Diesen Prozess könnte er
sprech-sprachlich vermitteln oder mittels einer "natürlichen" Schriftsprache
darlegen. Die Verwendung einer formalen Sprache führt zu einem externen
semantischen Modell, das den Prozess der Interpolationssuche derart präzisiert,
dass beispielsweise vergleichende Effizienzbetrachtungen angestellt werden
können. Auf einer "höheren" Stufe wird möglicherweise eine
Programmiersprache oder eine Maschinensprache verwendet, um den Prozess
der Interpolationssuche für einen Computer aufzubereiten. Die Interpolationssuche
wird also in der Informatik durch verschiedene semantische Modelle repräsentiert,
abhängig vom Zweck des Modells. Aufgabe des Subjekts ist es, das geeignete
(externe) semantische Modell anzuwenden bzw. zu modellieren.
Interessanterweise kann man das Metamodell semantischer
Stufen auf die kommunikative Welt der informationsverarbeitenden Maschine
übertragen, der Computer wird zum Subjekt. Dann könnte die Einteilung
in Analogie zu Stachowiak wie folgt aussehen:
-
0. Stufe: enthält alle Zeichenträger ohne
Bedeutung, also kontinuierliche und diskrete Signale, Daten und Nachrichten.
Diese Stufe unterscheidet sich inhaltlich kaum von der obigen nullten Stufe.
-
1. Stufe: enthält Perzeptionsmodelle (Wahrnehmung
» Signalempfang) und Kogitative Modelle (Denken » Signalverarbeitung).
Informatiksysteme enthalten meist Gebilde zum Empfang von Signalen optischer,
auditiver und elektrischer Natur. Die Signalverarbeitung findet vorwiegend
auf elektronischem Wege statt. Insbesondere Letzteres wird in der Technischen
Informatik einem Kerngebiet der Informatik behandelt. Die elektronischen
Modelle werden unter anderem aus Modellen der Mathematik (Dualzahlensystem),
der Biologie (Nervensystem) und der Kognitionswissenschaften (Mustererkennung)
mittels der Modelloperationen gewonnen. Wenn man davon ausgeht, dass der
Mensch interne semantische Modelle letztendlich auch nur basierend auf
elektrischen Signalen ausbildet, könnte man soweit gehen zu sagen,
dass einem (zukünftigen) Computer diese Fähigkeit der Verarbeitung
von internen Modellen ebenfalls zugestanden werden muss. Kognitionswissenschaften
und Informatik arbeiten in diesem Bereich fächerverbindend und ergänzen
sich gegenseitig.
-
2. Stufe: und alle folgenden Stufen enthalten externe
semantische Informationseinheiten, die im eigentlichen Sinne bedeutungstragenden
Zeichen in der expliziten Kommunikation zwischen Subjekten (hier: Computern).
Hierzu zählen Kommunikationssysteme, die Meta-Modelle für Modelle
der 1. Stufe darstellen (Wörter und Sätze, derzeit auf binärer
Ebene). Der Mensch speichert und verarbeitet seine internen semantischen
Modelle mittels elektrischer Signale. Leider kann er im Gegensatz zum Informatiksystem
auf diesem Weg i.d.R. nicht mit anderen Subjekten kommunizieren. Zur zwischenmenschlichen
Kommunikation werden daher auditive, visuelle und taktile Sprachen eingesetzt,
auf unterschiedlichen Abstraktionsstufen. Diese, dem Menschen geläufigen,
Kommunikationssysteme werden auch für die Mensch-Maschine-Kommunikation
eingesetzt. Als reizvolle Frage stellt sich nun, ob Computer über
ihre Selbst-Kommunikation kommunizieren, wenn sie Informationen aus ihren
Berechnungen austauschen oder sich auf Protokolle verständigen?
In der Abbildung
3 werden den von Stachowiak
in
der AMT dargestellten Modelltypen entsprechende Modelle der Informatik
zugeordnet, um die Modellvielfalt in der Informatik ansatzweise aufzuzeigen.
Fazit
Es zeigt sich, dass im Wesentlichen alle Modelltypen,
die Stachowiak in seiner
AMT darlegt, in der Informatik von Bedeutung sind oder waren. Die systematische
Auseinandersetzung mit Modellen der Informatik, die "alle" allgemeinen
Modelltypen exemplarisch umfassen sollen, ihr Einsatz und insbesondere
ihre Konstruktion könnten somit ein wichtiger Beitrag zur Ausbildung
einer allgemeinbildungsrelevanten Modellierungsfähigkeit sein, insbesondere
da diese Bildung vermutlich nicht von anderen Schulfächern systematisch,
umfassend und konstruktiv-handlungsorientiert vermittelt werden kann.
Die Modelle, wie sie im Software-Engineering verwendet
werden, decken eine breite Palette informatischer Modelle ab, stellen jedoch
nur einen Ausschnitt informatischer Modellbildung dar. Im Informatikunterricht
sollten daher Modelle aller Teilgebiete der Informatik behandelt werden;
fachübergreifend, didaktisch reduziert und schülerorientiert.
Eine inhaltliche Ausrichtung der Curricula an
den Modellen der Informatik könnte zu einem allgemeinbildenden und
das Wesen der Informatik umfassenden Informatikunterricht führen.
Als Strukturierungshilfe für einen derartigen modellorientierten Informatikunterricht
wäre ein Schema basierend auf Abbildung
3 denkbar.
Die dargestellte Sammlung von Modellen der Informatik
ist im Hinblick auf die Ausgangsfragen systematisch zu vervollständigen,
um das Besondere informatischer Modelle im Vergleich zu Modellen aus anderen
Fachwissenschaften herausarbeiten zu können. Modellbildungstechniken
sind, soweit möglich, den Modellen zuzuordnen. Für den konkreten
Informatikunterricht gilt es, eine Reihe von exemplarischen Modellen aufzustellen,
die das Wesen der Informatik und das Modellieren im Allgemeinen schülerorientiert
vermitteln können.
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Anmerkungen
1) Aufgrund der Finanznöte
der Bundesländer ergriff der damalige Bundesforschungminister Gerhard
Stoltenberg die Initiative und ließ bundesweite Datenverarbeitungs-Förderprogramme
auflegen, die den Aufbau von Informatik-Studiengängen vorbereitete.
2) Der Ausdruck
geht nach Auskunft französischer Lexika auf Philippe Dreyfuss (1962)
zurück, wobei Karl Steinbuch der Firma SEL bereits 1957 den Namen
ÓInformatik-WerkÓ für eine Produktionstätte vorgeschlagen
hat.
3) Übersetzung:
Informatik:
ÓWissenschaft von der systematischen Verarbeitung von Information,
insbesondere mittels automatisch arbeitender Maschinen zur Unterstützung
der menschlichen Wissens und Kommunikation in den Bereichen Technik, Wirtschaft
und Gesellschaft.Ó
4) Eine Ausnahme
ist England, wo ÓInformaticsÓ mit ÓInformation ScienceÓ
verknüpft wird.
5) Verein deutscher
Ingenieure
6) Wedekind (1998)
weist darauf hin, dass die "besondere Leistung der Informatik gerade in
der Abstaktion von den konkreten Gegenstandsbezügen der einzelnen
Fachdisziplinen" besteht, dem Modellieren des Modellierens. Dementsprechend
bleiben wir bei dem umfassenderen Begriff des "Originals" als Ausgangsobjekt
einer informatischen Modellierung. Insbesondere, wenn Apostel
(1960, S. 4) meint: "Model and prototype can belong to the same class of
entities or to different classes of entities.", kann das Ausgangsobjekt
einer Modellbildung nicht immer aus der Wirklichkeit stammen.
7) Unter einem System
verstehen wir die Zusammenfassung mehrerer Elemente, die in irgendeiner
aber bestimmter Weise miteinander in Beziehung stehen, zu einer durch seine
Funktionalität als Ganzes aufzufassenden Einheit, mit offenen, teilweise
geschlossenen oder vollständig geschlossenen Grenzen zu seiner Umwelt.
8) Die Hinzunahme
einer dritten naturalistischen Angleichungsebene (Stachowiak
spricht nur von 2 Ebenen) verdeutlicht die Angleichung von Attributen auf
der physikalisch-materiellen Ebene und damit der Wahrnehmung durch den
Menschen.
9) Und sollten im
Informatikunterricht stärker berücksichtigt werden, um eine vergleichende
Betrachtung unterschiedlicher Modelle und Vorgehensweisen durchführen
zu können.
10) Immer mehr
Leistungen des menschlichen Organismus werden durch Maschinen übernommen,
einzelne Funktionen des Menschen werden auf Maschinen "abgebildet". Schaefer
(1977) vertritt die Ansicht, dass jede Maschine, die eine Funktion des
Menschen abbildet, als Modell bezeichnet werden kann.
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